Für den Feldversuch vor einigen Tagen brauchte ich mal Dosenfutter. Nach etlichen Jahren, gekauft im Vorbeigehen. Also nicht gründlich recherchiert oder abgewägt, was man so füttern kann, sondern einfach in den Einkaufswagen geworfen. Dem Hund hat’s geschmeckt – ich habe mich geärgert und die Dose mal fotografisch zerlegt und wörtlich seziert.
Inhalt
1. Falsche Versprechen
2. Veräppelung der Kunden
3. Nebulöse Deklaration
4. Mangelnde Vergleichbarkeit der Analysedaten
5. Unzureichende Fütterungsempfehlung
6. Das höchste Niveau in der Dose
7. Das wahrscheinliche Niveau in der Dose
8. Die Dose an sich
9. Meine Wunschdosenverpackung
1. Falsche Versprechen
Was denn nun? Pur oder nicht?
Pur bedeutet ja wohl so viel wie “das und nichts anderes” – oder?
Reich an sagt aus, dass von irgendwas viel drin ist, aber eben noch anderes.
Pur Reich an Huhn bedeutet jetzt genau was?
Pures Huhn ist es schon mal nicht. Erste plakative Irreführung. Wie viel Huhn „reich an Huhn“ ist, kann man der Hundenasenspitze nicht ansehen. Ob das die zweite Irreführung ist, werden wir weiter unten sehen.
2. Veräppelung der Kunden
Mit und Ohne
Vitamin D und zumindest die Omega-6-Fettsäure Linolsäure müssen in jedem Alleinfuttermittel bedarfsdeckend drin sein. Zucker hat da nix zu suchen.
Sie hätten genauso gut schreiben können “gegen Abend ist mit Dämmerung zu rechnen”.
Und immerhin 1 (in Worten: eine) einzige natürliche (!) Quelle von was jetzt genau ist jetzt relevant für die Kaufentscheidung oder gar ein Alleinstellungsmerkmal? Oder ist die fehlende Differenzierung in Omega-3 und Omega-6 jetzt das Besondere, um es nicht im Kleingedruckten zu versenken?
Immerhin! Die Produktabbildung ist sehr realistisch: Konsistenz von Leberkäse: Alle Inhaltsstoffe vollständig atomisiert und dann geliert. Insgesamt nur wässriger.
3. Nebulöse Deklaration
Zutaten und Zusatzstoffe
Die Hauptzutat ist schon mal nicht Getreide. Ist da gar nichts Pflanzliches drin außer 0,1% Inulin? Kein Gemüse oder Ballaststoffe? Keine Kohlenhydrate? Anscheinend nicht.
60% totes Tier in Form von Fleisch und tierischen Nebenerzeugnissen. 60% von der 800g-Dose sind 480g. Das scheint viel. Aber es sagt gar nichts aus. Dazu später mehr.
Wie sind denn die 60% auf Fleisch und tierische Nebenerzeugnisse verteilt? Was konkret sind denn die Nebenerzeugnisse? Pansen und Leber – oder doch eher Fischmehl, Haut und Euter? Man weiß es nicht.
Auf was bezieht sich 30% Huhn? 30% vom Packungsinhalt? Oder 30% von den 60% Tieranteil = 18% vom Doseninhalt? Ist das Huhn jetzt im Fleisch oder in den Nebenerzeugnissen oder sowohl als auch? Woraus bestehen die tierischen Nebenerzeugnisse?
Reich an Huhn und dicht an pur stelle ich mir jetzt irgendwie doch anders vor.
Der zweitgrößte Bestandteil in dem Futter sind hinzugefügte Mineralstoffe. Rein logisch können die nicht mehr als 3 Gramm oder 0,4% ausmachen. Es handelt sich wahrscheinlich um Calcium in irgendeiner Form plus Spurenelemente.
0,2% Öle und Fette in Form von Fischöl. Welches Fischöl denn? Lebertran? Wahrscheinlich nicht, denn dann müsste kein Vitamin D zugegeben werden. Warum schreiben die nicht einfach „Lachsöl“ oder „Heringsöl“ drauf?
Und dann noch 0,1% Inulin. Was ist das? Warum ist das da drin? Es lohnt sich, hierzu Wikipedia zu befragen! In jedem Fall kann es aus Topinambur gewonnen werden.
Zu den Zusatzstoffen komme ich noch, sie sind für die Inhaltsbestimmung der Dose mengenmäßig nicht relevant.
Und dann bleibt noch ganz viel offen: Woraus bestehen die restlichen ca. 39,3% des Doseninhalts? Immerhin sind etwa 314 von 800g gar nicht deklariert.
All diese Fragen könnten mit einer offenen Deklaration beantwortet werden. Verpasste Chance des Herstellers, mein Vertrauen zu gewinnen.
4. Mangelnde Vergleichbarkeit der Analysedaten
Analytische Bestandteile
Die Dose enthält 82% Wasser.
Nur so am Rande: Rohe Hühnerbrust besteht zu 75% aus Wasser, rohes Hühnerbeinfleisch nur zu 70%, anderweitig verarbeitete Hühner- und Tierteile oder deren Extrakte enthalten deutlich weniger bis kaum Wasser.
Alle Dosenfutter haben hohe, aber eben unterschiedliche Wassergehalte. Die wahre Zusammensetzung der Makronährstoffe lässt sich auf Basis der Trockenmasse problemlos vergleichen. Weil kein Hersteller sich wirklich einem Vergleich stellen will, weist auch keiner der Nassfutter-Hersteller das aus. Oder kennt jemand solche Dosen?
Kein Problem. Der durchschnittliche Super- oder Futtermarktkunde zückt jetzt den Taschenrechner und rechnet selber, bevor er seine Dosen auswählt. Nicht.
Aber hier tun wir das mal:
18% des Doseninhalts besteht nicht aus Wasser und ist somit die Trockenmasse. Die besteht zu ganz anderen Anteilen als ausgewiesen aus Makronährstoffen.
- 9/18 = 50% Protein
- 6/18 = 33,3% Fett
- 0,5/18 = 2,8% Rohfaser
- 2/18 = 11,1% Rohasche
Zu 100% fehlen noch undeklarierte 0,5% der Originalsubstanz oder 2,8% Kohlenhydrate.
5. Unzureichende Fütterungsempfehlung
Fütterungsempfehlung auf Basis von FEDIAF und NRC.
Dem durchschnittlichen 15kg-Hund wird eine Dose pro Tag empfohlen. Der 25kg-Hund bekommt 1,5 Dosen. Und der 30kg-Hund? Oder noch schwerere? Sollen die Trockenfutter essen?
Aus den Angaben nach Gewichtsklassen lässt sich ablesen, dass die empfohlene Menge nicht einfach linear mit dem Körpergewicht steigt. Wie soll der Hundehalter mit einem großen Hund das jetzt ausrechnen? Klar, der durchschnittliche Hundehalter schlägt die Formel mal eben bei der FEDIAF nach und rechnet selber:
Ein 15kg-Hund kriegt 800g pro Tag. Sein Energiebedarf liegt bei 3MJ/Tag und errechnet sich als 95 * Hundegewicht 0,75 / 0,239 = 3.030 kJ. Somit enthält 1g des Dosenfutters 3.030kJ/800g = 3,8kJ. Ein 30kg-Hund benötigt 95 * 30 0,75 / 0,239 = 5.095 kJ / Tag, um seinen Energiebedarf zu decken. Also muss er nach FEDIAF 5.095 / 3,8 = 1.341g täglich von diesem Dosenfutter fressen. Hätte man einfach auch als Fütterungsempfehlung dazu schreiben können.
Eine Angabe der Energiedichte fehlt vollständig. Warum? Die könnte zumindest dem versierten Hundehalter helfen, auch für größere Hunde eine adäquate Futtermenge zu bestimmen.
6. Das höchste Niveau in der Dose
Kenne die Vorlieben Deines Hundes!
Der Hersteller verspricht: “Gut essen heißt gut leben”. Was nun genau drin ist, werden wir nie erfahren. Aber man könnte sich durchaus überlegen, wie das höchste Niveau an gutem Essen für Hunde aus der Dose aussehen >>könnte<<.
Dafür bauen wir mal wohlwollend den Doseninhalt mit Hannes seinem Futterrechner aus natürlichen Zutaten nach, denn der Hund soll ja gut leben. Dabei orientieren wir uns strikt an den bereits analysierten Hinweisen des Herstellers und den daraus abgeleiteten Erkenntnissen.
Nehmen wir an, 30% oder 240g in der Dose bestehen aus Huhn. Nehmen wir an, es handelt sich um Hühnerschenkel mit Knochen und Haut. Weitere 30% oder 240g besteht aus anderem Tier. Nehmen wir an, es handelt sich dabei um 147g Rinderpansen, 30g Rinderleber, 31g Rinderniere, 20g Rinderknochen und 12g Rindertalg. Fügen wir dann noch 4g Mineralstoffe in Form von Eierschalenpulver und 2g Fischöl vom Lachs hinzu. Um 4g Ballaststoffe (Rohfaser) mit Inulin ins Futter zu bekommen, fügen wir noch 30g Topinambur hinzu. Fertig wäre der deklarierte Teil des Doseninhalts. Wir kommen nunmehr auf 516g frische Futterbestandteile.
Diese bestehen zu 156g oder 30% aus Trockenmasse und 360g bzw. 70% aus Wasser. Nun werden alle Bestandteile atomisiert, um dem Dosenöffner nicht zu zeigen, was drin ist und damit der Hund nicht kauen muss. Um die Dose voll zu machen, nehmen wir keine kleinere Dose – die würde ja keiner kaufen! Nein, wir kippen noch 284g Wasser oben drauf. Somit reduziert sich die Trockensubstanz auf 19,5% und liegt damit 1,5 Prozentpunkte über der gekauften Dose. Unser Nachbau enthält also 8,3% mehr Energielieferanten als die Originalrezeptur. Schauen wir uns an, ob dieser Nachbau als Alleinfutter geeignet ist:
Der 15kg-Hund bekommt 10% mehr Kalorien zugeführt, als er braucht (aufgrund mehr „Gehalt“ der Zutaten im Nachbau gegenüber dem Original dürfte tatsächlich kein Energieüberschuss im Hund landen). Mit der doppelten Proteinmenge wird auch nach dem Garvorgang noch genügend davon in nutzbarer Form übrig bleiben. Die mehr als vierfache Fettmenge liefert reichlich Energie. Der Proteinanteil liegt einen Prozentpunkt oberhalb des Original-Doseninhalts – dies ist zu verrechnen mit dem um 1 Prozentpunkt geringeren Kohlenhydratgehalt.
Bevor wir den Deckel drauf machen, schauen wir uns auch mal die Mikronährstoffe in der Dose an und analysieren das Rezept im Rohzustand mit Hannes seinem Futterrechner und stellen fest:
Alle essentiellen Aminosäuren sind mehr als reichlich enthalten.
Die Mineralstoffversorgung ist hinsichtlich der Spurenelemente Jod, Mangan und Zink nicht bedarfsdeckend, aber durch den hohen Knochenanteil sehr reichlich mit Calcium und Phosphor beladen. Die Mineralstoffe und Spurenelemente – egal ob nativ vorhanden oder isoliert zugesetzt – dürften den Garvorgang völlig unversehrt überstehen:
Das Calcium-Phosphor-Verhältnis (CA:P) ist etwas hoch, aber noch im akzeptablen Rahmen, der Harn-pH ist durch die Eierschale etwas hoch. Das Omega-Fettsäurenverhältnis ist dank der Zugabe von Lachsöl ganz ordentlich. Die Proteinqualität (EASy) ist trotz hohem Bindegwebsanteil aus Pansen ganz OK, während der Proteinanteil in Relation zur Energie (Prot/MJ) sehr hoch ist:
Die Vitamine D und E sind nicht mal annähernd bedarfsgerecht vorhanden (können sie bei der Zutatenliste auch gar nicht), während Vitamin A in reichlich überschüssiger aber unbedenklicher Menge enthalten ist. Mit deutlich weniger Rinderleber würden diese Überschüsse nicht entstehen, der Kupferbedarf bliebe aber ungedeckt. Bedenklich gering ist der Vitamin B1*-Gehalt: *B-Vitamine werden beim Garvorgang zwar nicht komplett vernichtet – der Großteil geht ins Kochwasser über und verbleibt somit in der Dose. Es entstehen aber doch deutliche Verluste durch schlichten Verfall beim Kochen, so dass die fertige Dose bei den B-Vitaminen nicht mehr durchgängig bedarfsdeckend sein dürfte:
Damit sind wir jetzt endlich bei den für die Dose deklarierten Zusatzstoffen angelangt: Vitamin D3, Jod, Mangan und Zink werden noch zugesetzt. Sie ersetzen in diesem Rezept keine durch Behandlung zerstörten wertvollen Bestandteile, sondern fügen hinzu, was bereits in den rohen Zutaten fehlt. Die ominösen Mineralstoffe im Zutatenteil der Dosenbeschreibung dürfte das Magnesium komplettieren, wobei der hohe Aschegehalt des Futters nicht nachvollziehbar ist.
Der Rohfütterer bzw. Selberkocher müsste dies ebenfalls hinzufügen. Lebertran, Seealgenmehl und etwas Gemüse sind obligatorisch und liefern bereits in kleinen Mengen die fehlenden Stoffe auf natürliche Art. Aber im Endeffekt sind Lebertran und Seealgenmehl auch nur “Zusatzstoffe”.
Was allerdings mit Sicherheit fehlen dürfte: Vitamin E!
Da ansonsten keine pflanzlichen Bestandteile in der Dose sind, kann das Vitamin E auch gar nicht enthalten sein. Neben Pflanzenölen findet es sich z.B. in Eigelb oder Süßkartoffeln. Vitamin E spielt nicht nur in der Lebens- und Futtermittelindustrie eine Rolle als Konservierungsmittel für Fette – genauso wirkt es auch im tierischen Organismus: als Antioxidans stabilisiert es u.a. den Blut- und Fettstoffwechsel und unterstützt die Enzymtätigkeit. Hier fehlt es einfach.
OK. Bevor wir nun die Dose schliessen und durchgaren, schauen wir mal rein. Wir finden eine wässrige Suppe vor.
Damit die halbwegs schnittfest werden kann, braucht es ein Verdickungsmittel. Der Dose wurde Cassia Gum zugesetzt. Scheint nichts Schlimmes zu sein – allerdings ist es komplett überflüssig (im wahrsten Wortsinn), den Matsch abzubinden. Dem Hund ist das völlig egal – lediglich die zweibeinige Hundemutti meint, schnittfeste Matschepampe sei besser als breiige.
7. Das wahrscheinliche Niveau in der Dose
Täglich 480g frisches Tier im Futter für einen 15kg-Hund sind definitiv overdone. Selbst wenn es die Hälfte wäre, kann das oben Skizzierte in einer niedrig preisigen Dose gar nicht enthalten sein. Wahrscheinlich besteht es aus verdünnten Fleisch- und Knochenmehlen, von denen 18%, vielleicht 30% vom Huhn stammen. Aber das ist Spekulation.
Orangensaft mit 100% Fruchtgehalt wird ja auch aus Konzentrat hergestellt, sofern es sich nicht um “Direktsaft” oder gar selbstgepresste Orangen handelt. Das ist allgemeiner Konsens in der Konsumentenwelt – aber bei Hundefutter kann man sowas nicht ehrlich drauf schreiben? Schade!
8. Die Dose an sich
Die Dose bindet unnötig viel Material. Sie besteht wahlweise aus verzinntem Stahl oder Aluminium, Plastik in der Innenauskleidung und Papier drumrum. Was für eine Verschwendung! Zudem bläht die leere Dose als nicht faltbarer Hohlkörper das Müllvolumen einfach nur sinnfrei auf. Etliche Nassfutter-Hersteller machen es schon vor: Verzicht auf Dose und Verpackung in “Würsten”.
9. Meine Wunschdosenverpackung
Ich will der Futterindustrie nicht unterstellen, minderwertige Abfälle in die Dosen zu kippen – aber ich darf bei den Texten auf der Verpackung schon annehmen, dass die den Verbraucher für grenzdebil halten. Die Vorschriften für Beschriftungen von Futtermitteln geben einen Mindeststandard vor. Das sollte niemanden davon abhalten, mehr als das Minimum abzuliefern. Aber dazu sind anscheinend nur wenige bereit.
Daher wünsche ich mir dringend, dass die werblichen nonsens-Aussagen auf der Verpackung durch gehaltvolle Informationen ersetzt werden und dass die inhaltlichen Bestandteile des Futters klarsprachlich, vollständig und vergleichbar deklariert werden.
Ich wünsche mir ferner, dass nicht unnötig Wasser ins Futter geschüttet wird, um Mengen vorzutäuschen, die nicht drin und auch nicht nötig sind. Und hauptsächlich wünsche ich mir, dass Dosen endlich durch “Pellen” ersetzt werden.
Überarbeitungs-Hinweis
Dieser Artikel ist eine Neuberechnung meines gleichnamigen Artikels in Facebook. Aufgrund einer inzwischen erfolgten Umstellung der Datenquelle kommen nun leicht andere Zahlen heraus. Dies ändert nichts am Ergebnis.
Mittlerweile (Juni 2022) ist dieser Artikel erneut umgezogen. Er war mein erster Nachbau, den ich heute anders vornehmen und dokumentieren würde. Dennoch möchte ich zwei Fehlinformationen in diesem Artikel klarstellen: Zugesetzte Vitamine E und B sind ebenso wenig deklarationspflichtig, wie Kalzium und Phosphor. Ich habe Grund zu der Annahme, dass dieses Futter bedarfsdeckend ist.