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Fallstudie: Pute und Kartoffeln für den Hund im Wachstum

Pute, Kartoffeln und Karotten als Welpenfutter

Heute in einer Futtergruppe auf Facebook:

„Ich kaufe alle 60 Tage 45kg Putenoberkeule ohne Haut und Knochen, 15kg Kartoffeln, 5 kg Karotten und 2-3kg Hühner Herz und Leber. Das wird dann alles gewolft (Fleisch 8mm und Gemüse 6mm), miteinander vermischt und dann in 700 Gramm Portionen in Beutel abgepackt, vakuumiert und eingefroren. So hab ich immer über 2 Monate täglich „frische“ Ware für meine Hündin, dazu gebe ich Knochenpulver, Grünlippmuschelpulver (in Kuren), Barf Complete und Lein- sowie Lachsöl, fertig ist das Menü! Die Zusätze sind von AniForte und ich sowie meine Hündin finden sie gut. Von den Kosten sind es monatlich ca. 50€ plus AniForte und das was sie mittags noch frisch dazu bekommt. Meine Hündin OEB/A-Bully XL mix ist erst 8,5 Monate, 23-24kg (Muskeln pur, glänzendes Fell) und ich mache es seit Ihrer 9. Woche so (Mengen natürlich aufsteigend mit dem Alter). So hab ich nur alle 2 Monate einmal den Akt und kann mich täglich aus dem Gefrierschrank bedienen.“

Das könnte der Futterplan sein

Die Hündin ist mit 8 Monaten noch im Wachstum und hat einen entsprechend hohen Bedarf an Energie und Nährstoffen. Was sie mittags noch frisch dazu bekommt, wissen wir nicht. Wir halten uns mal an die konkreten Angaben des Autors in Verbindung mit einer modellhaften Annahme aus dem gewichts- und altersabhängigen Energie- und Nährstoffbedarf:

Die Hündin mit aktuell ca. 23,5 kg wird wohl bei ca. 30kg Endgewicht landen gemäß der Wachstumskurve von Napfcheck. Dann benötigt sie jetzt ca. 7,8MJ Energie/Tag.

Die Beschreibung oben würde dann als Tagesration halbwegs plausibel so aussehen: 1407g = 2 Portionen aus dem Tiefkühler täglich sowie Pulver und Öle hinzu. Im Großen und Ganzen passt das Gemisch tatsächlich zum alters- und gewichtsentsprechenden Energiebedarf.

Lebens-/Futtermittelg/TagkJProteinFettKHFaserAsche
Pute,Schenkel frisch700,03374,7143,525,2007,7
Kartoffeln ungeschält gegart230,0558,93,5027,62,31,6
Huhn,Herz tiefgefroren200,0104434,611,61,402
Huhn,Leber tiefgefroren200,0114044,29,42,403,4
Mohrrübe frisch77,0125,50,60,25,22,40,7
BARF Complete23,0270,36,31,18,61,64,2
Rindfleischknochenmehl23,0248,98,92,70010,7
Lachsöl12,5457,2012,5000
Leinöl12,5460,9012,5000
Grünlippmuschelextrakt5,077,82,90,50,501
Summe14837758,2244,575,645,86,331,3
Bedarf78129340
Abweichung-53,8151,535,6

So dürfte dann die Zusammensetzung der Makronährstoffe aussehen:

Bedarfsdeckung in % 99Energie263Protein189Fett100% Gewicht der Menükomponenten Fette2%Fleisch74%Gemüse21%Zusätze3% Gewicht der Makronährstoffe Prot61%Fett19%KH11%Faser2%Asche8% Energie der Makronährstoffe Prot53%Fett37%KH10%

Der versierte Leser sieht bereits, dass so viel Protein und so wenig Fett bedeutet, dass Hund einen Großteil der Energie aus Protein ziehen muss. Das ist die unwirtschaftlichste Form der Energiegewinnung und belastet den Körper der Hündin im Wachstum mit unnötigen Ammoniak-Abbauprodukten, die unter Höchstleistung von Leber und Nieren über den Harn wieder ausgeschieden werden müssen. 

Der noch versiertere Leser sieht auch noch direkt, dass Leinöl im Hund Quatsch ist, weil zwar ein immenser Anteil Omega-3-Fettsäuren drin ist – diese aber vom Hund nicht ausreichend von ALAzu EPA/DHA verstoffwechselt werden kann und somit als Energiequelle verbrannt werden muss. Verbrennen = oxidieren = ranzig werden im Hund. Keine gute Idee, wo Omega-3-Fettsäuren doch entzündungshemmend wirken sollten und hier nur giftig wirken werden. 

Und wer sich dann noch insgesamt ein wenig auskennt mit Ernährungsphysiologie und Nährstoffgehalten weiß schon vorab: Kupfer, Zink, Vitamine D+E sind defizitär.

Hier jetzt die Auflösung der Bedarfsdeckung an Mikronährstoffen:

Aminosäuren Bedarfsdeckung in % 261Prot421Arg500His493Ile495Leu594Lys449Met334MC398Phe305PT322Thr205Trp475Val100% Protein-Kennzahlen 2030300EASy23.26102031.50Prot/MJ31.5541095450Purin545 Mineralstoffe Bedarfsdeckung in % 130Ca121P213K124Na57Cl627Mg62Cu102J123Fe88Mn7Se*64Zn100% Mineral-Kennzahlen 1230Ca:P1.215.5785Harn-pH6.7 Vitamine Bedarfsdeckung in % 9749A68D67E342B1470B2503B5990B6526B121739B31147B9100% Fett-Kennzahlen 1001811810LA%18125100ω6:ω31.0301001000ALA/ω3530.6110Vit.E/ω0.61

Was sehen wir?

Wie vorausgesagt: Kupfer, Zink, Vitamine D+E sind defizitär. Darüber hinaus fehlt auch Chlorid und das Fettsäure-Profil ist fast durchgängig im roten Bereich, nur Linolsäure aus den Putenschenkeln ist ausreichend drin. Das erklärt das glänzende Fell. Wird bei so wenig Zink und Vitamin E aber nicht auf Dauer glänzen. 

Zur Ehrenrettung: Ich habe auch ziemlich lange geglaubt, dass die Prozente vom BARF schon passen werden. Mein Hund hat’s überlebt. Aber irgendwann wird man darauf kommen, dass es schon etwas Feintuning bedarf. Man muss sich halt mal damit beschäftigen, was der Hund so braucht nach vorherrschender Lehrmeinung und was in Lebensmitteln so drin ist laut Bundeslebensmittelschlüssel oder Pulverherstellern. 

Gut geht anders. Und wie genau?

Ich würde als Erstes mal die Putenschenkel reduzieren (⬇︎), damit Leber und Niere von diesem Wahnsinn entlastet werden und gleichzeitig den Kartoffel-Anteil erhöhen (⬆︎), um die Proteinlast weiter zu senken. Als nächstes würde ich das Leinöl mit der nutzlosen Fettsäure ALA durch Schweineschmalz mit hauptsächlich gesättigten und damit nicht stabilisierungsbedürftigen Fettsäuren ersetzen (↻) und die Menge gleich deutlich erhöhen (⬆︎), um der Hündin die notwendige Energie zuzuführen. Senkt auch noch mal die Futterkosten.

Das Lachsöl würde ich durch eine 250g-Forelle pro Woche ersetzen (↻) – gibt’s im Discounter recht günstig in der Tiefkühltruhe für ca. 3€/2 Stück. Da sind dann die nötigen Omega-3-Fettsäuren in Form von EPA/DHA drin, aber zusätzlich ausreichend Vitamin D. Das ist nämlich doch recht wichtig für die Skelettbildung. Gerade beim Hund im Wachstum. Dann braucht man auch weniger Vitamin E zur Stabilisierung der Fettsäuren im Hund und Hündin könnte etwas Vitamin E für die Aufrechterhaltung des eigenen Immunsystems abzwacken. 

Das Grünlippmuschelgedöns würde ich mal komplett weglassen und nicht mal als Kur verabreichen. Abgesehen davon, dass es nicht (!) vor (erwartbaren) Gelenkproblemen schützt, enthält es üblicherweise immense Mengen Magnesium, die ohnehin über das üppige Magnesium im BARF Complete so überdosiert ist, dass Hündin eigentlich chronischen Durchfall haben müsste. 

Wenn man dann noch die kupferarme aber Vitamin-A-reiche Hühnerleber durch Rinderleber ersetzt (↻), dann bekommt die Hündin wenigstens genügend Kupfer und kommt mit weniger (⬇︎) davon aus – neben den B-Vitaminen der wichtigste Inhaltsstoff von Leber. Hier vor Ort ist Hühnerleber für unter 4€/kg zu haben, während Rinderleber an der Fleischtheke etwa 8€/kg kostet. 

Zudem fehlen Mangan und Chlorid. Das kann man locker im Vorbeigehen durch Haferflocken (trocken gewogen) (↻) und Kochsalz (↻) hinzufügen. 

Das wäre ein guter Plan

Lebens-/Futtermittelg/TagkJProteinFettKHFaserAsche
Pute,Schenkel frisch⬇︎500,02410,5102,518005,5
Kartoffeln ungeschält gegart⬆︎350,0850,55,30423,52,4
Huhn,Herz tiefgefroren200,0104434,611,61,402
Rind,Leber frisch ↻⬇︎150,0828,128,85,5802,4
Mohrrübe frisch85,0138,50,70,25,82,60,8
Schweineschmalz, -fett ↻⬆︎50,01850,80,150000,1
Forelle frisch ↻35,0196,76,72,3000,5
BARF Complete20,02355,50,97,51,43,6
Rindfleischknochenmehl20,0216,47,72,3009,3
Hafer,Flocken ↻5,0780,70,330,50
Salz ↻2,0000002
Summe1417,07848,6192,491,267,68,028,6
Bedarf78129340
Abweichung36,699,451,2

Heraus käme die folgende Makronährstoffverteilung:

Bedarfsdeckung in % 100Energie207Protein228Fett100% Gewicht der Menükomponenten Fette4%Fisch2%Fleisch60%Gemüse31%Samen0%Zusätze3% Gewicht der Makronährstoffe Prot50%Fett24%KH17%Faser2%Asche7% Energie der Makronährstoffe Prot41%Fett44%KH15%

Und hier die Mikronährstoff-Verteilung:

Aminosäuren Bedarfsdeckung in % 206Prot340Arg407His386Ile399Leu476Lys366Met271MC331Phe258PT260Thr175Trp394Val100% Protein-Kennzahlen 2030300EASy25.231020250Prot/MJ24.5541096220Purin622 Mineralstoffe Bedarfsdeckung in % 112Ca108P208K164Na123Cl354Mg137Cu86J96Fe88Mn0Se*56Zn100% Mineral-Kennzahlen 1230Ca:P1.175.5785Harn-pH6.6 Vitamine Bedarfsdeckung in % 4026A153D51E316B1429B2421B5888B6843B121523B31235B9100%> Fett-Kennzahlen 1001931930LA%19325100ω6:ω34.5301001000ALA/ω3210.6110Vit.E/ω0.68

Jetzt bleiben nur noch Zink und Vitamin E unter den Bedarfswerten nach FEDIAF und anderen Lehrmeinungen. Der „BARFer“ an sich glaubt ja immer daran, dass, wenn etwas „natürlich drin ist“, man locker mit der Hälfte des Bedarfs auskommt. Ich glaube da nicht dran und würde Zink und Vitamin E einfach zusetzen. Für Hautgesundheit und intaktes Immunsysten. Im Zweifelsfall synthetisch. Finde ich besser als Mangel. Ein Tropfen Vitamin E und eine 1/2 Tablette Zink-Chelat pro Tag können Wunder wirken. 

Titelbildquelle: Chefkoch.de

Veröffentlicht unter Fallstudien

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