Kennt noch jemand “Die Besucher” und deren orange-roten Glibber-Würfel, die sich durch irgendwas in richtiges Essen verwandelten?
Was in den 80er Jahren des vorigen Jahrhunderts noch Science-fiction einer tschechischen Kinderserie war, nimmt zunehmend Gestalt an. In Gestalt von Lebensmitteln für uns und Futtermitteln für unsere Hunde.
Inhalt
Was gibt’s morgen zu essen?
Die Besucher – die Realität rückt näher!
Molekularküche
Molekulare Erbsen für Mensch und Tier
Und was ist nun drin in der Erbse?
Und nun?
Was gibt’s morgen zu essen?
…überschrieb brand eins im November einen Artikel und teaserte weiter “Laborfleisch, Insektenschokolade und synthetischer Whisky klingen gewöhnungsbedürftig. Sind aber sinnvolle Innovationen.”
Nun ja, vor dem Hintergrund der Massentierhaltung und extensiven Bodenwirtschaft hier bei uns und intensivem Hunger auf der ganzen Welt macht das schon Sinn. Für einen Genussmenschen wie mich ist es hingegend erschreckend, wie weit die Gedankenspiele schon in die Tat umgesetzt werden.
Die Besucher – die Realität rückt näher!
Der Artikel erinnerte mich an diese wunderbare tschechische Kinderserie. Die Zeitreisenden konnten unsere Nahrung nicht vertragen und hatten ihre eigene dabei. Um nicht aufzufallen, machten sie ihre Nahrung aus irgendwelchen chemischen Substanzen und ließen sie wie Essen aussehen. Wer “Die Besucher” nicht kennt, kann bei Wikipedia einen Überblick bekommen.
Wie man sich ca. 1982 das Essen in 500 Jahren vorgestellt hatte, seht Ihr hier:
Molekularküche
Vor einigen Jahren war die Molekularküche schwer angesagt. Da wurden beliebte Aromen in ungewohnte Aggregatzustände versetzt und die Gourmetwelt war geflasht. War ja auch sehr spektakulär! Mittlerweile ist der Hype vorbei und wir essen wieder “natürliches” Essen.
Tatsächlich? Mittlerweile hat ganz still und leise eine Transformation unseres Essens stattgefunden. Aktuell leidet ja halb Deutschland an Laktose-Intoleranz und die andere Hälfte an Getreideunverträglichkeiten. Warum das? Z.B. Wegen des billigen Supermarkt-Brotes, das vor dem Backen nicht mehr ruhen darf, sondern mit allerlei Stoffen versetzt wird, um Textur, Zusammensetzung und Geschmack von echtem Brot zu erreichen – nur damit das Brot billig und schnell ist. Also, damit der Teig ohne Ruhezeit in die Röhre schaut. Die meisten traditionellen Bäcker schauen wegen der billigen und immer frisch verfügbaren Backlinge übrigens auch in die Röhre.
Das betrifft nicht nur unser Brot – auch Convenience- und Formprodukte, Fleisch- und Fischprodukte, Milchprodukte, Nährmittel, Suppen, Saucen, Feinkost und Süßwaren werden heutzutage standardmäßig mit Stoffen “veredelt”, deren Ursprünge man durchaus aus dem Lebensmittelbereich kennt.
Hier eine kleine Auswahl der Anwendungszwecke:
Quelle: www.foodingredients.de
Molekulare Erbsen für Mensch und Tier
Seit dem “Getrteidefrei-Hype” im Hundefutter boomen Anbieter, die Erbsen ins Futter tun. Wer nun an die kleinen grünen runden Dinger denkt, die eigentlich nur in Form von richtig lange gekochtem und mit fetten Zutaten beladenem Eintopf gut schmecken, sollte sich mal durch die Seiten Foodingredients und Cosucra blättern.
Aus Erbsen werden z.B. sechs verschiedene Mehle mit ganz unterschiedlichen Inhalten und Eigenschaften angeboten. Die gibt es als Stärke, als Protein, als Ballaststoffe, als Flocken und als “Strukturbildner”:
Collage aus Erbsenprodukten bei www.foodingredients.de
Der Hersteller stellt seine Seite unter das Motto “We think food better. Naturally.” und bewirbt die gesundheitsfördernden Eigenschaften der Erbse als gut für die Verdauung, zur Gewichtsreduktion, bei Allergien, für Kinder und Senioren, für die Blutzuckerregulation und für Sportler.
Natürlich stellt er auch die funktionalen Eigenschaften seiner Zutaten heraus: Als “natürliches” Backtriebmittel, Fett- und Wasserbinder, fettloser “cremig-Macher”, und als Fleischersatz. Fake meat, real pleasure! Und das Ganze auch als Tierfutter.
Fake meat, real pleasure. Erbsen als Soja-Ersatz für den Fleisch-Ersatz bei cosucra.com
Und was ist nun drin in der Erbse?
So eine handelsübliche grüne Erbse (gekocht) besteht – nach Abzug von 73% Wasser – erst mal zu knapp 50 Prozent aus Kohlenhydrate, also hauptsächlich Stärke. Gut ein Viertel sind Protein und der Rest weitgehend Ballaststoffe.
Makronährstoffverteilung in gegarten Erbsen
Das mit den Ballaststoffen klingt schon mal nicht schlecht für eine geregelte Verdauung. Wenn man Hülsenfrüchte ausreichend wässert und kocht, gibt’s auch keine Flatulenzen. Mit der überwiegenden Stärke und wenig Zucker könnte das für Diabetiker tatsächlich ganz gut sein. Die ganze Zusammensetzung scheint an den DGE-Empfehlungen für Menschenernährung ausgerichtet.
Aber da war doch noch was… Ja genau! Fette fehlen fast gänzlich. Somit dürfte die Erbse dann schon mal als Alleinfuttermittel für Hunde ausscheiden wegen fehlender Fette. Fügt man noch Fett hinzu, dürfte sich der Proteinanteil deutlich unter 20% verschieben, so dass es noch weiterer Proteinquellen für den Hund bedarf.
Da sind einige Hundefutterhersteller jetzt schon findig unterwegs: Die mischen die oben genannten separierten Erbsenbestandteile Protein, Kohlenhydrate und Ballaststoffe aus den einzelnen Mehlen in einer für den Hund vorteilhafteren Zusammensetzung zusammen: Mehr Protein, weniger Stärke und Ballaststoffe!
Ich frage mich, welche Inhaltsstoffe beim Separieren der Einzelkomponenten einer Erbse verloren gehen, z.B. Vitamine, Mineralien und Spurenelemente sowie sogenannte „sekundäre Pflanzenstoffe“. Und ich frage mich auch, welche Stoffe erforderlich sind, um die kleinen grünen Kunstwerke in Spezialmehle mit Rechtsschutz zu zerlegen. Mit einfachem Trocknen und Vermahlen kriegt man Protein und Stärke ja nicht auseinander gedröselt. Was davon bleibt im Produkt und was löst es aus?
Nun sollen Erbsen ja nicht nur reich an Protein sein, sondern auch reich an essentiellen Aminosäuren.
Auch das ist zutreffend. Mit großen Mengen an Arginin und Lysin ist es ein hervorragendes Sportlerprotein, wie es ja auch beworben wird. Als Allrounder für alle Lebenslagen eines Hundes ist das Protein nicht so toll zusammengesetzt. Allerdings braucht der Mensch nicht so viel Schwefel wie der Hund.
Aminosäurenbedarfsdeckung des Hundes aus Erbsen bei empfohlener Proteinmenge
Denn dummerweise ist das Erbsenprotein für Hunde stark defizitär: Der Bedarf an den schwefelhaltigen Aminosäuren Methionin und Cystein würde nicht gedeckt.
Für Cystinuriker vielleicht (!) eine wirklich gute Idee.
Es kann aber zum Problem werden, wenn Taurin und L-Carnithin – benötigte Stoffwechselprodukte aus Methionin – nicht mehr hergestellt werden. Da könnte die Fettverbrennung gestört werden. Derzeit werden zudem vermehrt Herzprobleme bei Hunden mit getreidefreiem Futter festgestellt. Oder Hund bekäme ungefähr die 1,7fache empfohlene Proteinmenge, um den Bedarf an schwefelhaltigen Aminosäuren zu decken. Für gesunde Hunde ist dies erst mal kein Problem. Wenn es aber ans Älterwerden geht oder anderweitig Nierenprobleme auftreten, kann es haarig werden.
Und nun?
Mein Hund darf gerne gelegentlich die Reste einer selbst gekochten Erbsensuppe wegschlabbern. Er mag das sogar ganz gerne, wie jegliches Menschenfutter. Ob es ihm wirklich schmeckt oder ob es einfach eine soziale Komponente ist?
Fertigfutter mit Erbsen-Mehlen in umgekehrter Komponenten-Reihenfolge wird bei Hannes niemals im Napf landen!