Hannes hat Hunger. Immer.
Ein Lagebericht. Ohne Fotos.
Frührunde
Aufstehen!
Hund das Halsband anlegen und los geht’s.
Moment mal… Habe ich nicht gestern Abend drei Stück Brot auf die Fensterbank zum trocknen gelegt? Jetzt liegt da nur noch eins… Ja, ich weiß, Kürbiskernbrot ist lecker. Nein, Hannes, Du brauchst jetzt nicht sehnsüchtig zum letzten Stück Brot zu blicken. Das gibt’s erst, wenn’s durchgetrocknet ist, Du kleiner Dieb!
So, jetzt geht es aber wirklich los. Wir fahren zum verlassenen Bundeswehrgelände. Da gibt es immer so viel zu schnüffeln und oft auch Wild oder andere Hunde. Zu meiner Überraschung finden wir auch jetzt im Herbst immer mal wieder ein paar frisch nachgewachsene Himbeeren. Die Oberen pflücke ich für den Hund, die Unteren pflückt er selbst – auch mitten im dornigen Gestrüpp. So ein dickes Fell hätte ich auch gerne.
Die Brombeersaison ist eigentlich auch vorbei. Zu meinem großen Bedauern gehen die unreifen roten Beeren direkt in schimmelige schwarze, verschrumpelte Reste über. Dennoch findet Hannes immer wieder einige dicke, glänzende, reife Brombeeren zum Selberpflücken. Ich wundere mich immer wieder, wie er die von den unreifen roten und schimmeligen schwarzen sowie den hellroten Himbeeren unterscheidet und wie zärtlich er sie vom Strauch abgnabbelt.
Wenn die Beeren am Wegrand ausgehen, nimmt er immer wieder gerne Eicheln auf. Die enthaltenen Gerbstoffe sollen ja Magen-Darm-Probleme machen. Bei Hannes nicht. Die meisten kaut er bloß und lässt sie genauso aus dem Maul fallen wie Holzstücke, die er von morschen Ästen abknabbert. Aber ein Teil wird verschluckt. Kommt manchmal unverdaut hinten raus – manchmal scheint es verdaut zu werden.
Unterwegs pflücke ich ein paar Brennesseln, weil das Gemüse übers Wochenende aufgebraucht ist. Ich habe ja immer einige Gassibeutel in der Gesäßtasche – diese über die Hand gestülpt kann ich auch diese bösartigen Pflanzen pflücken und nach Hause transportieren, ohne mich zu verbrennen. Sind gut für die Blase und gibt’s in der Gemüsepampe zum Frühstück.
Frühstück
Zu den Brennesseln (die ich noch mit dem Gassibeutel als Handschuh unverbrannt kleinschneide), kommt noch ein kleiner Apfel, Lachs- und Leinöl sowie Seealgenmehl, eine Handvoll Cashews, Sesam und Weizenkeime. Die Körner mit Mamas uralter Krups-Kaffemühle gemahlen. Das Ganze dann geschreddert.
Hannes täuscht während der Zubereitung völlige Entspannung vor. Liegt im Flur und trabt locker-flockig auf meine Einladung zum Napf. Die Speichel-Pfützen im Flur zeigen, dass er alles andere als entspannt war. Gierig schlabbert er die Pampe weg.
(Nach-)Mittagsrunde
Wir gehen nur “um den Block”. Die Hagebutten im Neubaugebiet schrumpeln vor sich hin. Hannes erntet einige wenige, ich pflücke zur Abwechslung mal keine auf Vorrat.
Zwei Straßen weiter schnüffelt Hannes sehr intensiv den Bürgersteig ab, bis er im Rinnstein irgendwas aufsammelt. Ich kann das “Irgendwas” nicht identifizieren und will es haben. Hannes hält es fest. Es ist lang genug, dass jeder von uns ein Ende festhalten kann. Jeder von uns hält fest. Fennjol und eine Hündin kommen vorbei, während wir uns im Dialog um das “Irgendwas” befinden. Hannes verzichtet auf das rüdenübliche Zurückpöbeln zu Fennjol und hält fest. Ich halte auch fest. Sowas nennt man selbstanleinender Hund. Hundert Meter weiter sieht Hannes ein, dass er seine Beute nicht fressen wird und lässt los. Ich schaue es mir an. Es war wohl mal ursprünglich so ein Rinderhaut-Knochen. Schon mal durchgeweicht von dem Speichel irgendeines Hundes und dann von einem Auto plattgefahren. Hätte er essen dürfen – ich entsorge es trotzdem. Meine Hand stinkt.
Middach
Wieder zu Hause gibt es ein Hühnerbein. Kurz anreichen – weg ist der Hund und kaut das Bein samt Knochen und Rückenstück genüsslich und ungestört weg. Dann schläft er erst mal. Auf meinen Füßen. Schön warm.
Abendrunde
Es ist stockfinster, daher geht Hannes mit Disco-Beleuchtung raus. Das ist recht praktisch, weil das Leuchthalsband auch beleuchtet, was er beschnüffelt und zu fressen gedenken könnte. In der dunkelsten Ecke unseres Wegs um den Friedhof sehe ich Leuchtzeichen von anderen Hundehaltern mit Taschenlape auf Gassitour in unsere Richtung. Ich funke mit meiner Taschenlampe zurück und sie drehen ab. Sehr schön, keine weitere Eskalation Hannes-seitig zu erwarten.
Dann geht es treppab. Auf der Treppe lag die letzten drei Tage eine halbe Portion Pommes Frites, die wir drei Tage als Trainings-Objekt benutzt haben: Er durfte die beschnüffeln aber nicht aufnehmen. Hat er auch nicht – ein einfaches “Pfui” genügte. Jetzt waren die Pommes weg. Also die Schale nebst Inhalt. Hannes fand noch ein verwaistes Stück Pommes. Durfte er essen. Ich finde, er hat sich das verdient über drei Tage.
Abendbrot
Natürlich erwartet Hannes nach der Runde was zu futtern. Es gibt Kartoffeln und Süßkartoffelnim Napf. Die werden einfach inhaliert. Natürlich findet er Futter aus dem Napf voll unspannend und begibt sich direkt auf sein Kissen – in freudiger Erwartung auf Futter zum Suchen.
Er hat mich ja gut abgerichtet und deshalb verteile ich noch eine Hand voll Trockenfutter in der Wohnung und erlaube ihm, das zu suchen. Natürlich findet er die Brocken ganz schnell – aber er muss noch dreimal hinterhergehen, ob nicht noch irgendwo irgendwas vergessen wurde. Natürlich hat er nichts vergessen – aber es könnte ja nachwachsen.
Guat’s Nächteli
So, nun hat Hannes den Tag rum und war wie so oft sehr beschäftigt mit dem Essen. Ich finde das gut und er hat Spaß. Und erstaunlicherweise schmeckt ihm auch das, was er an Grünzeug so findet, obwohl er ja eigentlich eher ein Fleischfresser ist. Jetzt kann er gut schlafen. Ich hoffe, Ihr auch!
Napf ist öde!
Macht das Futtern spannend!